Ina Damaschke lebt ein ganz normales Kinderleben in der DDR der 70er Jahre. Sie nimmt an Pioniernachmittagen teil und lernt im Unterrichtsfach Staatsbürgerkunde alles, was sie über Staat und Sozialismus lernen soll. Was aber wirklich in ihrem Land vor sich geht, erfährt sie erst als sie eine neue Mitschülerin bekommt, mit der sie sich gegen alle Widerstände anfreundet.

Die neue Mitschülerin

Gertrude Leberecht. Gertrude. Ein komischer Name, findet Ina. Und auch sonst ist an ihrer neuen Mitschülerin alles anders. Sie trägt Westklamotten und ist überraschend still. Als Gertrude nicht zum Pioniernachmittag kommt, ahnt Ina, dass irgendetwas nicht stimmt.

„Diese Gertrude hat nicht nur Westklamotten hat, die riecht auch noch so. Nach Westwaschmittel. Ich schnüffle den betörenden Duft ein.“

Auf ihre Nachfragen, bekommt Ina nur widerwillige Antworten. Wie sich herausstellt, ist Gertrude nicht nur Kirchenmitglied, was in der DDR nicht gern gesehen ist. Ihr Onkel lebt in West-Berlin. Ihr Vater, ein Dichter, hat systemkritische Werke veröffentlicht. Und die Familie hat einen Ausreiseantrag gestellt.

Kommando Rose – eine besondere Freundschaft

Ina ist all das herzlich egal. Sie mag Gertrude. Die beiden Mädchen verbringen immer mehr Zeit miteinander und endlich hat Ina eine richtige Freundin. Das gefällt aber nicht jedem. Inas Mutter verbietet ihrer Tochter den Umgang mit Gertrude. Und auch Gertrudes Familie entscheidet kurz darauf, dass es besser sei, wenn die beiden Mädchen sich nicht mehr treffen. Denn die Familie Leberecht wird von der Stasi überwacht und hat Angst, Ina und ihrer Mutter zu schaden.

Doch so einfach ist es nicht: Ina und Gertrude sind Freundinnen. Dagegen hilft auch kein Umgangsverbot. Ina hat schnell einen Plan. Sie will, dass Gertrude besser dasteht und bringt ihre Freundin dazu, sich für das Kollektiv einzusetzen. So sammeln sie gemeinsam Altpapier und tragen anderen Menschen die Einkäufe nach Hause. Inas Bemühungen ändern aber nichts daran, dass die Familie ihrer Freundin einen Ausreiseantrag gestellt hat und damit den Staatsfeind-Status hat.

„Wumm. Das muss ich erst mal verdauen. Ausreiseantrag. Dieses Wort, es klingt, als hätte es einen dunklen Mantel an. Ich habe bisher noch keinen gekannt, der einen Ausreiseantrag gestellt hat. Der für immer dieses Land verlassen und nie wiederkommen will.“

Gertrude und Ina wissen, dass sie Abschied nehmen müssen, wenn der Antrag bewilligt wird. Und das bleibt für die Familie zu hoffen, denn die Familie hat durch ihre anderen Ansichten eine Menge Nachteile. Gertrudes Vater hat ein Veröffentlichungsverbot bekommen, ihr Bruder darf kein Abitur machen und nicht studieren. Dennoch kämpfen die beiden Mädchen unter dem Motto „Kommando Rose“ für ihre Freundschaft. Und dadurch wird Inas Leben ganz schön auf den Kopf gestellt.

„Ich renne nach Hause. Ich will weg. Ich will meine Ruhe. Ich will mein vertrautes Zimmer, ich will das Begrüßungsgeknatter von Leo und Lieschen, ich will, dass Mutti bei mir ist. Ich glaube, ich habe Angst. Das wächst mir alles über den Kopf.“

Fazit: Ein tolles Buch über eine vergangene Zeit

In dem Buch Gertrude Grenzenlos wird ein Land beschrieben, das es heute nicht mehr gibt. „Zum Glück“, wie Autorin Judith Burger im Nachwort sagt. Denn bei aller Ostalgie, der man sich mancherorts gerne hingebt. Es hat gute Gründe, warum es die DDR nicht mehr gibt. Burger lässt die vergangene Zeit wieder aufleben. Sie zeigt sehr eindrucksvoll, wie es Menschen in der DDR ergangen ist, die eine andere Meinung hatten. Die Kritik geäußert haben. Die frei leben wollten.

2019 feiern wir „30 Jahre Mauerfall“. Und während ich das schreibe, denke ich einerseits: Schon 30 Jahre? Und gleichzeitig denke ich: Erst 30 Jahre? So nah und gleichzeitig so fern scheint die Teilung unseres Landes mir heute. 1989 saß ich mit meinen Eltern vorm Fernseher. Das Jahr, in dem die Mauer fiel. Ich war acht Jahre alt und hatte nur eine grobe Idee, von der Bedeutung dessen, was auf dem Bildschirm vor sich ging. Für die nachfolgenden Generationen ist die DDR, wenn man nicht persönliche Berührungspunkte hat, vermutlich nicht viel mehr als ein Kapitel im Geschichtsbuch. Umso wichtiger sind Bücher wie Gertrude Grenzenlos, die von diesem vergangenen Land erzählen und so Geschichte lebendig werden lassen.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es liest sich unterhaltsam und Ina wächst einem bereits auf den ersten Seiten ans Herz. Ihr Mut, sich gegen alle Meinungen und Verbote, für ihre Freundin einzusetzen, geht ans Herz. Besonders schön finde ich, dass die Autorin im Nachwort persönliche Worte zur Geschichte schreibt und einige Zusammenhänge erklärt. Auch dass es ein Glossar gibt, in dem Begriffe erklärt werden, die typisch für die DDR waren, finde ich sehr hilfreich. Die Begriffserklärungen sind persönlich und beruhen auf Basis der Erfahrungen der Autorin, die selbst in der DDR geboren wurde.

Buchinformationen

Judith Burger: Getrude grenzenlos
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2018
Gebunden, 240 Seiten
Ab 10 Jahren
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Klappentext

Beste Freundinnen – für immer, oder?
Gertrude ist neu in Inas Klasse. Sie ist anders als alle Mädchen, die Ina kennt: Sie trägt Westklamotten, ihr Lächeln haut einen um und niemand hat so klare blaue Augen. Aber Getrude ist auch deshalb anders, weil ihr Vater Dichter ist und die Familie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Damit sind sie in den späten Siebzigerjahren in der DDR Staatsfeinde. Zum ersten Mal hat eine Ina eine beste Freundin! Doch ihre Freundschaft ist nicht überall erwünscht, schon gar nicht in der Schule. Das lässt Ina sich nicht gefallen: Sie schmiedet einen Plan, um ihre Freundschaft zu retten.

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Gertrude Grenzenlos

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Anmerkung: Das Buch „Getrude grenzenlos“ wurde uns freundlicherweise als Rezensionsexemplar vom Gerstenberg Verlag zur Verfügung gestellt.

Autor

Als ich klein war, konnte ich es nicht abwarten, endlich selber lesen zu können. Ich liebte es sehr, wenn meine Eltern mir aus Büchern vorlasen. Aber es reizte mich, es ihnen gleich zu tun und selbst die gedruckten Wörter zu einer Geschichte zusammenzusetzen. Nachdem ich endlich lesen gelernt hatte, verschlang ich ein Buch nach dem anderen. 2016 bin ich Mutter geworden und ich möchte meiner Tochter Sina die Welt der Bücher eröffnen wie sie einst mir geöffnet wurde.

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